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Donnerstag, 04. April 2024

Tierische Hilfe im Unterricht

Unter Stress lernen viele Schüler schlechter, verhalten sich auffällig oder werden sogar krank. Häufig kommen daher ausgebildete Schulbegleithunde zum Einsatz. Sie sollen den Druck senken. Doch welchen Kindern kommt die tiergestützte Intervention am meisten zugute? Britische und US-amerikanische Psychologinnen haben hierzu grundlegende statische Daten ermittelt.

Große Klassen, wenig Zeit, viel Stoff und möglichst gute persönliche Leistung: Schon in der Grundschule stehen viele Kinder unter Anspannung. Das gilt es zu verringern – und dafür treten immer öfter Schulbegleithunde in den Unterrichtsdienst. 

In der Tat schreiben viele wissenschaftliche Arbeiten tiergestützten Interventionen positive Effekte bei Schulkindern zu: weniger Stress, leichteres Lernen, mehr Wohlbefinden. Allerdings beruhen die besagten Studien meist auf Befragungen der in der Regel wenigen teilnehmenden Kinder zum persönlichen Stressgefühl. Statistisch belastbare Messdaten gibt es dagegen kaum. Offen ist auch, inwiefern normal entwickelte Kinder oder Kinder mit speziellen Bedürfnissen von tiergestützten Interventionen profitieren: Gleichermaßen oder unterschiedlich? Sind Kleingruppen besser oder der individuelle Hundekontakt? 

Ein Forscherteam rund um eine Spezialistin für Entwicklungspsychologie,  Professorin Kerstin Meints von der Universität Lincoln in Großbritannien, ist dem nachgegangen. Mit ihrer randomisierten kontrollierten Studie von 2022 liegen nun entsprechende Daten vor. 

Speicheltest für Stress

Der Kern von Meints Arbeit ist Cortisol. Das Stresshormon wird im Nebenhirn gebildet und bei andauernder Anspannung vermehrt ausgeschüttet. Es sorgt dafür, dass der Körper Stress nicht bekämpft, sondern leistungsfähig bleibt. Mehr Druck, mehr Cortisol. Der Vorteil: Das Hormon kommt im Speichel vor. Etwas Spucke, mehr braucht es für die Daten nicht. Das ist zuverlässig, geht einfach, schnell und tut nicht weh – perfekt für Untersuchungen mit Kindern.

An der Studie teilgenommen haben zwei Gruppen: 105 normal entwickelte Mädchen und Jungen zwischen acht und neun Jahren sowie 44 gleich alte Kinder mit besonderem Lernbedarf, darunter Kinder mit Autismus, Down Syndrom, Aufmerksamkeits- oder anderen Lernschwierigkeiten.

Davon nahmen einige einen Monat lang zweimal wöchentlich an 20 Minuten tiergestützten Interventionen teil, sowohl mit individuellem Hundekontakt als auch in der Gruppe. Zudem gab es eine Kontrollgruppe ohne Hundekontakt. Bei allen Kindern wurde vor dem Versuchsmonat und danach sowie vor und nach der jeweiligen Schulstunde das Cortisol-Level bestimmt. 

Entspannter mit Hund

Es zeigte sich, dass der Langzeitstress der Kinder in der Kontrollgruppe ohne Hundekontakt über das Schulhalbjahr hinweg wächst. Anders bei Kindern mit Hundebesuch in der Klasse: Hier bleibt der Stress generell geringer – unabhängig, ob die Kinder normal entwickelt waren oder besonderen Lernbedarf hatten. 

Einen Unterschied gab es jedoch hinsichtlich des Umfelds: Bei normal entwickelten Kindern war es egal, ob der Hundekontakt in der Gruppe oder individuell stattfindet. Kinder mit besonderen Bedürfnissen profitieren hingegen mehr, wenn sie dem Tier in Kleingruppen begegnen. Das bestätigt insgesamt die Eindrücke aus vorherigen Studien: Tiergestützte Interventionen fördern das Lernen und das Wohlbefinden.

Tierkontakt gezielt ausgestalten

Zukünftig gelte es, ebenso quantitativ und statistisch zu untersuchen, welchen Einfluss Gruppendynamiken, gesellschaftliche Erwartungen oder Unterschiede in Persönlichkeit und Charakter der Kinder und Tiere haben oder inwieweit es eine Rolle spielt, ob man das Tier direkt berühren kann oder nicht. Mit diesem Wissen ließen sich die angewandten Methoden jeweils passend auf die Kinder zuschneiden, heißt es in der Studie. 

Prof. Dr. Kerstin Meints l University of Lincoln l School of Psychology l kmeints@remove-this.lincoln.ac.uk