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Donnerstag, 04. Januar 2024

Soziale Arbeit in der Tiermedizin

Doppelrolle für Tierärzte: Veterinärmediziner kümmern sich medizinisch ums Tier und seelsorgerisch um den Halter. Die Corona-Pandemie hat die Arbeitsbelastung für Tierärzte einer Studie zufolge noch vergrößert. So entwickelt sich in den USA ein neues Feld: Soziale Arbeit an der Schnittstelle zur Veterinärmedizin.

Den sensiblen Part, Haltern von Heimtieren bei schweren Entscheidungen und womöglich beim Loslassen mitfühlend beizustehen, habe die Pandemie negativ verändert. So beschreibt es eine US-Studie zur Corona-Mehrbelastung im Veterinärwesen speziell im Zusammenhang mit der Tiereuthanasie, dem Einschläfern. Hierzu wurden 15 Ärzte, Fachkräfte, Laboranten und Rezeptionisten aus zwei Kliniken und zwei Allgemeinpraxen für Tiere befragt. 

Mehr Patienten, mehr Stress

Allein die Zahl von Mehrpatienten habe die Tiermedizin schier überwältigt, lautet ein Ergebnis aus der Arbeit, die in der Fachzeitschrift „People and Animals: The International Journal of Research and Practice“ erschienen ist.  So sind während der Pandemie in den USA in 23 Millionen zuvor tierlosen Haushalten Hund oder Katze eingezogen. Das bedeutete für Tierärzte angesichts des Fachkräftemangels im Bereich Veterinärmedizin eine enorme Zusatzlast. 

Auch die Kommunikation mit den Haltern war erschwert. Sie lief teils rein telefonisch ab oder mit Gesichtsmasken. „Das führte zu emotionaler Distanz zu den Haltern“, heißt es in der Studie. Zudem mussten die Halter bei der Behandlung draußen bleiben, auch beim Einschläfern. Das mitanzusehen und Tiere im Sterben zu begleiten, die in ihren letzten Momenten nach ihren Bezugspersonen suchten, empfangen die Befragten als stark belastend. 

Im nordamerikanischen Winter kam es zu fast tragischen Szenen: Bei Hausbesuchen wurden Tiere teils draußen im Schnee eingeschläfert, denn es galt das Abstandsgebot zu anderen Personen. „Das ist absolut hart. Die Blutgefäße ziehen sich bei Kälte zusammen. Du stichst und stichst und findest keine Vene. Und dann schlitterst du mit dem toten Tier auf dem Arm übers Eis, damit der Körper irgendwie wieder zurückkommt ins Haus“, lautet ein drastisches Beispiel.

Soziale Arbeit an der Schnittstelle zur Tiermedizin

Es bestehe somit wachsender Bedarf an mentaler Unterstützung – für die Tierhalter als Kunden und das tiermedizinische Personal gleichermaßen, schließt die Studie und bewirbt hierzu das noch junge Feld der sogenannten Veterinary Social Work. 

Diese adressiert die Bedürfnisse der Menschen rund um die Tiergesundheit. Nimmt sich etwa eine eigens geschulte Sozialarbeitskraft den Anliegen der Halter an, würde dies das medizinische Personal entlasten. 

Ein Modell auch für Deutschland?

In Deutschland ist diese Sozialarbeit an der Schnittstelle zur Veterinärmedizin bisher nicht bekannt. Doch auch hier ist aus der Tierärzteschaft ähnliches zu hören: Seit der Pandemie seien viele Tiere mehr zu versorgen, auch der Stress habe zugenommen – allerdings weniger durch Corona-dramatisierte Behandlungsszenen. Vielmehr seien es besondere Wünsche nach Therapien, die womöglich nicht oder anders notwendig wären, oder kleinteilige Diskus-sionen über die neue Gebührenordnung, die das medizinische Personal zu bewältigen hat und als Arbeitsdruck erlebt. 

University of Southern Maine l School of Social Work l Elizabeth Chalmers l elizabeth.chalmers@remove-this.maine.edu