Beitrag Mensch&Tier

Montag, 27. August 2012

Mehr Professionalität in der Ausbildung

Die tiergestützte Arbeit ist von der Entwicklung her betrachtet eine sogenannte Graswurzelbewegung. Die Idee, Vierbeiner in die psychologisch-therapeutische Behandlung von Menschen einzubeziehen und von ihrer Wirkung zu profitieren, ist in der Praxis aus Zufall entstanden.

Bis heute ist das Feld der tiergestützten Interventionen keinen rechtlichen Regelungen und Vereinheitlichungen unterworfen, sondern bunt gemischt und heterogen. Es gibt kaum Definitionen oder formale Zulassungsvoraussetzungen,an denen sich Anbieter oder Interessierte orientieren könnten – und um viele wichtige Standards wird immer noch gerungen. Dies gilt auch für die Anwendungsmethodik und die noch nicht hinreichende wissenschaftliche Aufarbeitung der Beobachtungen und Erfahrungen.


Qualitätskriterien von Pet Partners und IAHAIO


Weitgehend anerkannt sind die Begriffsbestimmungen des Verbands Pet Partners (ehemals Delta Society). Sie definieren die wichtigsten Unterschiede zwischen tiergestützten Therapien und Aktivitäten (die Therapie ist zielgerichtet, wird von einem in seinem Bereich qualifizierten Therapeuten durchgeführt und dokumentiert, wohingegen die Aktivität auch von Laien durchgeführt werden kann; Mensch & Tier 01/2012).

Auch die Kriterien für tiergestützte Interventionen der International Association of Human-Animal Interaction Organizations (IAHAIO) von 1998 haben dazu beigetragen, dass sich einige grundlegende Standards für den Umgang mit Tieren im therapeutischen Setting etabliert haben.


Was die Qualifikation der Anbieter von tiergestützten Interventionen angeht, so ist die Lage ebenfalls unübersichtlich. Der zum Teil pauschal verwendete Begriff „Tiertherapeut“ sollte Branchenexperten zufolge nicht benutzt werden. Der Grund: Eine tiergestützte Therapie ist nach heutigem Verständnis keine eigenständige Therapieform. „Tiergestützte Therapie wird immer im jeweiligen Berufsfeld des Therapeuten durchgeführt, also zum Beispiel im Rahmen von Pädagogik, Sozialarbeit oder einer Psycho-, Physio- oder Ergotherapie“, sagt Rainer Wohlfarth, Präsident der European Society for Animal Assisted Therapy (ESAAT, Europäischer Dachverband für tiergestützte Therapie).


„Das Tier erleichtert das therapeutische Geschehen, ohne jedoch einen menschlichen Therapeuten ersetzen zu können.“ Wer tiergestützt arbeiten möchte, sollte demnach über einen anerkannten Abschluss in einem therapeutischen Beruf verfügen. Eine Zusatzausbildung im Bereich tiergestützte Therapie ist rein rechtlich zwar nicht erforderlich, aber dringend anzuraten.


Zertifikate von ISAAT und ESAAT bieten Orientierung


Angesichts der rasant steigenden Anzahl von Fortbildungen im deutschsprachigen Raum ist es für Interessierte nicht einfach, professionelle und qualitativ hochwertige Angebote herauszufiltern. Orientierung bieten dabei die Zertifizierungen des Dachverbands ESAAT sowie der International Society for Animal Assisted Therapy (ISAAT). Die beiden Organisationen haben ähnliche Kriterienkataloge erstellt, um Qualitätsstandards in der Ausbildung festzuschreiben. Derzeit gibt es in Deutschland allerdings nur eine Handvoll Ausbildungen mit ESAAT- oder ISAAT-Zertifikat.


„Ich halte eine stärkere Professionalität für notwendig, um tierethische Überlegungen und Grundsätze noch viel stärker im Feld der tiergestützten Therapie zu verankern“, sagt ESAAT-Präsident Wohlfahrt (auf dem Foto mit seinem altdeutschen Schafpudel Ayla). „Unsere Vision ist es, dass es eines Tages nur noch zertifizierte Fortbildungen auf dem deutschen Markt gibt.“ Dann würden einheitliche Qualitäts- und Vergleichsmaßstäbe gelten, es gäbe klare Grenzen in punkto Tierschutz und selbst offene Fragen wie der Verbleib von „Rentner“-Tieren wären geklärt.


Der Weg von der Graswurzelbewegung bis zu mehr Professionalität ist steinig –  eine wirkliche Professionalisierung mit einem anerkannten Berufsbild, einer Etablierung im deutschen Gesundheitssystem und damit möglicherweise einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen liegt heute noch in weiter Ferne.

Weitere Informationen:
International Society for Animal-Assisted Therapy (ISAAT)
Universität Zürich-Irchel, Schweiz
Website: www.aat-isaat.org

European Society for Animal Assisted Therapy (ESAAT) Veterinärmedizinische Universität Wien, Österreich
Website: www. esaat.org
E-Mail: office@esaat.org