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Montag, 07. Juli 2025

Wenn die Sehkraft des Hundes schwindet

Orientierungsverlust, Anecken an Hindernissen oder Verletzungen durch unkontrolliertes Aufschrecken: Halter, deren Tiere ihre Sehkraft verlieren, haben zunächst viele Befürchtungen. Meist finden Mensch und Tier aber mit der Zeit gemeinsam Wege, mit dem neuen Alltag umzugehen. Eine Studie aus Italien liefert einen Erfahrungsüberblick.

In den Industrienationen werden nicht nur die Menschen, sondern auch ihre Hunde immer älter. So gibt es auch immer mehr Hunde mit altersbedingten Seheinschränkungen. Ein Grauer Star zum Beispiel lässt viele betagte Hunde erblinden. Auch infolge von Krankheiten wie Glaukomen, Hornhaut- oder Bindehautentzündungen oder Staupe kann die Sehkraft schwinden. Zudem kann die Netzhaut genetisch bedingt allmählich absterben. In jedem Fall bedeutet dies Umstellungen für Hund und Mensch zugleich. 

Eine Studie aus Italien hat nun untersucht, wie Tierhalter auf eine getrübte Sehkraft bei ihren Hunden reagieren, wie sie ihre tierischen Begleiter unterstützen und wie sich die Hunde selbst an die neue Situation anpassen. Hierzu haben die Professorin für Veterinärmedizin Dr. Pia Lucidi von der Universität Teramo und ihr Team 398 Tierhalter befragt, deren Hunde im Erwachsenenalter erblindet sind. Ihre Ergebnisse sind im Fachjournal „Anthozoös“ erschienen. 

Erst Angst, dann Akzeptanz

Nahezu alle befragten Tierhalter gaben an, zunächst Befürchtungen und Zukunftssorgen gehabt zu haben. Einige berichteten auch von Trauer und Wut: Warum musste es gerade uns treffen? Fast alle wollten das Tier unbedingt behandeln lassen. Zwar lässt die Blindheit oder Einschränkung der Sehkraft in manchen Fällen operativ beheben, in vielen Fällen aber nicht. 

Nur ganz wenige Befragte konnten damit nicht umgehen und haben drastisch reagiert: Vier Personen ließen ihr Tier einschläfern. Die anderen akzeptierten über die Zeit hinweg die Diagnose – auch diejenigen, die zunächst größere Schwierigkeit hatten. Viele haben aktiv nach Informationen über Hilfsmittel und neue Verhaltenstechniken für sich und das Tier gesucht, um mit der neuen Situation umzugehen. 

Hunde verlassen sich auf andere Sinne

Die Hunde selbst reagierten anfangs oft merklich depressiv. Sie zeigten sich abhängiger vom Halter, veränderten teils ihre Körperhaltung. Die Hälfte der Hunde, die vorher im Hundesport aktiv waren, mussten ihr Hobby aufgeben. Im Alltag hingegen kamen die meisten Tiere gut zurecht: Sie orientierten sich vermehrt über andere Sinne wie Hören, Riechen und Tasten. 

Alles, was diese anderen Sinne anspricht, half der Studie zufolge: Für die spielerische Auslastung beispielsweise Futterbälle, Quietsche-Puppen oder Zerr-Tampen. Und zur Orientierung leiteten die Halter ihre Tiere nun stimmlich an. Abseits vom Straßenverkehr funktionierte dies teils sogar ohne Leine – sogar über Hindernisparcours hinweg.

Oft gestalteten die Hundehalter auch ihre Wohnung um, sodass die Tiere sich hier selbstständig orientieren konnten: Alle Möbel blieben fortan unverrückbar am Platz, Stolperfallen wie Dekoration oder herumliegende Dinge wurden wegeräumt, scharfe Kanten abgerundet oder entfernt. Bestimmte Stellen wie Schlafplatz oder Futterort wurden per Duftöl markiert. Und damit die Hunde ihre Halter besser ausmachen konnten, banden sich viele Halter kleine, leise Glöckchen an ihre Schuhe oder das Handgelenk.

An diesen Erfahrungsberichten ist deutlich zu sehen: Auch mit trüber oder sogar ganz ohne Sicht kann ein Hundeleben spannend und ausgefüllt sein. Nicht zuletzt gaben 89 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Fellnasen als glücklich und zufrieden einschätzen.  

Universität Teramo l Fakultät für Veterinärmedizin l Fachbereich Biowissenschaften und Technologien für Lebensmittel, Landwirtschaft und Umwelt l Prof. Dr. Pia Lucidi l plucidi@remove-this.unite.it