Beitrag Mensch&Tier

Montag, 27. August 2012

„Wedelt der Hund mit dem Schwanz?“

Dr. Birgit U. Stetina ist seit ihrer Kindheit bekennende Tierfreundin – auch deshalb hat die Klinische und Gesundheitspsychologin mit einem interdisziplinären Forschungsteam das Konzept HumAnimal Interact entwickelt, das den Qualitätsstandard in der tiergestützten Arbeit sichern soll.


Stetina (Foto) lehrte und forschte am Psychologischen Institut an der Universität Wien, ist Mitbegründerin des Vereins Multiprofessionelle Tiergestützte Intervention (MTI) und arbeitet derzeit am Psychology Department der Webster University.


Mensch & Tier hat mit Dr. Stetina über ihr neues Konzept gesprochen.


Frau Dr. Stetina, was haben Sie sich ausgedacht?


Wir haben ein Beobachtungsinstrument in Form eines Fragebogens entwickelt, mit dem jeder die Qualität der eigenen Arbeit mit Mensch und Tier überprüfen kann. Hintergrund ist der Hype um tiergestützte Einsätze, der zu vielen unqualifizierten Angeboten geführt hat. Die fehlenden verbindlichen Rechtsvorgaben machen das leider möglich. Viele der sogenannten Therapien am Markt haben eine fragwürdige Qualität – fragwürdig auch in Bezug auf das Wohl des Tiers.


Steht das Tierwohl bei tiergestützten Therapieformen zu wenig im Fokus?


Ja, das sehe ich so. Es gibt viele Studien, die belegen, dass sich die Interaktion mit Tieren positiv auf Menschen auswirkt. Wie steht es aber um die Effekte solcher Einsätze auf die Vierbeiner? Leider werden vor allem Hunde immer noch häufig im wahrsten Sinne des Wortes instrumentalisiert und in ihrer Gutmütigkeit überfordert.


Wie wollen Sie dagegen angehen?


Natürlich weiß ich, dass der Laie im Gegensatz zum Forscher zum Beispiel kein Filmteam dabei haben kann, um die Interaktion zwischen Mensch und Tier zu dokumentieren und anschließend auszuwerten. Ein gewisses Maß an Eigenreflektion ist aber unabdingbar. Deshalb sieht unser Konzept HumAnimal Interact einen Beobachter vor. Diese Rolle erfordert keinen Psychologen oder Therapeuten, sondern ist auch für einen Laien kein Problem.


Welche Rolle spielt der Beobachter?


Der Beobachter füllt während oder nach der tiergestützten Intervention einen umfassenden Fragebogen aus. Da geht es um ganz praktische Aspekte: Hat der Patient Augenkontakt gesucht? Wedelt der Hund mit dem Schwanz? Leckt er sich über die Nase, geht er zum Wassernapf? Allein das genaue Hinsehen, die Beobachtung der Verhaltensweisen kann schon wichtige Erkenntnisse vermitteln. Zusätzlich kann der Ausführende mit der Auswertung einer Punkteskala schwarz auf weiß überprüfen, ob seine Arbeit qualitativ hochwertig war – und auch die Bedürfnisse des Tiers berücksichtigt.


Kann man sich das so einfach vorstellen wie den Psychotest einer Frauenzeitschrift?


Ganz vereinfacht gesagt, ja. Erst einmal haben wir definiert, welche Kriterien für eine gute Intervention auf jeden Fall erfüllt sein müssen – also quasi, welche Mindestpunktzahl auf der Punkteskala erreicht werden muss. In Kooperation mit der veterinärmedizinischen Fakultät haben wir zudem mit Speichelproben zur Kortisolmessung von Trainern und Hunden überprüft, ob sich die verhaltensorientierte Einschätzung auch endokrinologisch bestätigen lässt. Mittlerweile haben 120 Personen den Fragebogen im Feld getestet und unsere Annahmen bekräftigt.


Wann wird Ihr Fragebogen verfügbar sein?


Momentan bemühen wir uns um Fördergelder, um die Entwicklung des Fragebogens abzuschließen und ihn mit bis zu 400 Testpersonen weiter zu verfeinern. Wenn das klappt, könnte er schon in sechs Monaten zur Verfügung stehen. Falls nicht, könnte es bis zu zwei Jahre dauern. So oder so, es wäre schön, wenn er sich etablieren würde.

Weitere Informationen:
Dr. Birgit U. Stetina, Psychologische Fakultät,
Webster Universtität Wien, Österreich
E-Mail: Stetina@webster.ac.at