Beitrag Mensch&Tier

Projektleiterin Kathrin Lichtenauer bringt Senioren Wildvögel näher. Foto: © Kathrin Lichtenauer / LBV

Montag, 11. Juli 2022

„Vogelbeobachtung macht glücklich“

Unter dem Projektnamen „Alle Vögel sind schon da“ beobachten bayerische Senioren in Pflegeeinrichtungen Wildvögel an eigens eingerichteten Futterstellen und erhalten Informationen zu den Arten.  Dass die Corona-Pandemie dem Präventionsprojekt des bayerischen Landesbunds für Vogelschutz kein jähes Ende gesetzt hat, ist auch dem Einfallsreichtum von Projektleiterin Kathrin Lichtenauer zu verdanken.

Frau Lichtenauer, wie haben Sie Ihr Projekt durch die Pandemiezeit gerettet?

Die Einschränkungen durch Corona waren sehr hart. Unser Zugang zu den Einrichtungen wurde deutlich eingeschränkt. Für die alten Menschen gab es wenig Abwechslung, vielen fehlte Bewegung, auch die Stimulation durch Besuch von außerhalb fiel weg. Im Jahr 2020 waren wir unsicher, wie es mit dem Projekt weitergehen sollte. Da war plötzlich viel Erfindergeist gefragt. Alternativ zu unseren persönlichen Vorträgen vor den Senioren haben wir dann einen Film gedreht, der die Futterstationen und die Vogelarten erklärt. Besonders lebhaft sind mir die Vorträge in Erinnerung geblieben, die ich draußen mit Mikrofon bei Schneeregen gehalten habe, während die Bewohner drinnen per Lautsprecher zugehört haben.

Welche Effekte hatte das Projekt während der Pandemie auf die Senioren?

Die Effekte der Vogelbeobachtung haben wir während unserer ersten Förderperiode von 2017 bis 2020 wissenschaftlich untermauert. Unserer Studie zufolge wurden alle Ziele voll erfüllt: Vogelbeobachtungen machen glücklich, so lautet unser Fazit. Denn das persönliche Wohlbefinden ist Grundvoraussetzung für Lebensqualität – auch im hohen Alter. Viele Menschen in vollstationären Pflegeeinrichtungen leiden jedoch darunter, dass soziale Außenkontakte und die direkte Begegnung mit der Natur wegfallen. Dem wirken wir mit unseren Beobachtungsstationen entgegen – besonders in einer tristen und sorgenvollen Zeit wie einer Pandemie.

Was genau fasziniert die Senioren so an Vögeln?

Vögel sind Wildtiere. Es hat etwas Besonderes, wenn sie freiwillig zu einem kommen. Außerdem hat fast jede Person eine emotionale Verbindung zu Vögeln. Die Begegnung ruft alte Erinnerungen hervor – beispielsweise an ein Vogelhaus im Garten oder Vogelgezwitscher auf Spaziergängen. Das reaktiviert kognitive Ressourcen. Schweigsame Senioren erzählen plötzlich alte Geschichten, in denen Vögel eine prägende Rolle gespielt haben. Angehörige können durch die gemeinsame Vogelbeobachtung und das bereitgestellte Material wieder Kontakt zu ihren (Groß-)Eltern knüpfen.

Bereitet das Projekt Ihnen selbst ebenfalls Freude?

Aus meiner Sicht profitieren alle von diesem Projekt, auch ich selbst. Es berührt mich sehr, wenn ich mit einer älteren Person die Stationen mit Vogelfutter befülle und sehe, wie froh und dankbar diese Beschäftigung macht. Manche Senioren danken mir unter Tränen.

Wie geht es jetzt weiter?

Weil das Projekt so ein Erfolg war, haben die Pflegekassen der AOK Bayern, der Knappschaft und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) die Förderung verlängert. Jetzt befinden wir uns bereits in der dritten Förderperiode und betreuen um die 80 Altenheime pro Jahr. Es erreichen uns stetig neue Bewerbungen. Leider haben nur bayerische Pflegeeinrichtungen Anspruch auf Förderung, die Materialien können aber bundesweit bestellt werden.

Kontakt: Landesbund für Vogelschutz in Bayern I Kathrin Lichtenauer | 09174 477 572 45 I allevoegelsindschonda@remove-this.lbv.de  | www.lbv.de/allevoegel