Beitrag Mensch&Tier

Foto: iStock / Nicki1982

Mittwoch, 07. Oktober 2020

„Sie sind die Stars auf dem Gelände“

Eine elfköpfige Alpaka-Herde tummelt sich seit rund einem Jahr auf dem Gelände des niederbayerischen Bezirksklinikums Mainkofen. Die Vierbeiner werden in verschiedenen tiergestützten Interventionen eingesetzt. Einen sehr großen Profit aus dem tierischen Zuwachs ziehen psychisch kranke Straftäter.

Seit elf Jahren leitet die Sozialpädagogin Silke Lederbogen die Abteilung für tiergestützte Therapie in Mainkofen. Unter ihrer Regie werden Hunde, Bienen und Aquariumfische eingesetzt. Zum Beispiel bei Schmerzpatienten oder bei Menschen mit psychischen oder sozialen Problemen. Nebenbei betreibt Lederbogen mit ihrem Mann einen Alpakahof mit rund 50 Tieren. Ein Jahr ist es her, dass auf Anregung der neurologischen Abteilung des Klinikums elf von Lederbogens Alpakas in Mainkofen eine neue Heimat gefunden haben – ursprünglich mit der Idee, die Vierbeiner bei Schmerzpatienten einzusetzen.

Wer aber sollte die Tiere täglich versorgen, füttern, pflegen? Es entstand die Idee, jene Patienten einzubeziehen, die erfahrungsgemäß am längsten im Klinikum verweilen: psychisch kranke Straftäter, die von vielen gemieden werden, für die Inklusion ein Wort ohne Bedeutung ist. Lederbogen entwickelte ein Konzept, bei dem die als schwer therapierbar geltenden Personen die Hauptrolle spielen sollten. „Tiergestützte Begegnungen finden meist ein- oder zweimal pro Woche statt, für je eine Stunde. Die psychisch kranken Straftäter aber sind täglich mit den Tieren zusammen“, berichtet Lederbogen. 

Trainiert werden bei der Pflege der Alpakas Eigenschaften, an denen es diesen Personen oft fehlt: Sie müssen im Team arbeiten, etwa um die Alpakas von der Weide in den Stall zu treiben. Sie müssen zuverlässig, pünktlich und ordentlich sein, sowie kontrolliert agieren. „Die Straftäter erlangen durch den täglichen Umgang mit den Tieren eine Art Expertenstatus. Sie führen die Alpakas übers Gelände, werden von Mitpatienten oder Spaziergängern angesprochen. Sie sind die Stars auf dem Gelände – das ist gelebte Inklusion“, sagt Lederbogen.

Alpakas eignen sich nach Meinung der Sozialpädagogin sehr gut für tiergestützte Interventionen: „Hunde gehen eher auf Menschen zu, Alpakas dagegen halten immer eine Distanz. Das hilft vielen Patienten.“ Hektische Bewegungen verjagen die Tiere, und sie zeigen recht dominant, was ihnen gefällt und was nicht.

Die Versorgung der Alpakas hat bei den Mainkofener Patienten sichtbare positive Veränderungen bewirkt. Was Lederbogen empirisch belegen kann, soll nun auf wissenschaftliche Beine gestellt werden. „Es existiert schon eine wissenschaftliche Basis bezüglich tiergestützter Interventionen. Aber wir brauchen mehr fundierte Belege für unsere Erfahrungen.“ Deswegen wird die wissenschaftliche Begleitung tiergestützter Projekte in Mainkofen künftig stärker gefördert. 

Bezirksklinikum Mainkofen l Silke Lederbogen l s.lederbogen@remove-this.mainkofen.de l www.mainkofen.de