Beitrag Mensch&Tier

Ob lebendig oder mechanisch - Tiere spenden Menschen in allen Lebenslagen Trost. Foto: iStock/Nes

Freitag, 26. Mai 2023

Robotertiere mobilisieren Senioren

Aibo hat den Anfang gemacht: Der erste Roboterhund zog 1999 in Haushalte ein, gefolgt 2004 von der Robbe Paro und aktuell dem besonders lebensecht gestalteten Golden-Retriever-Welpen Jennie aus den USA. Speziell bei Senioren mit Demenz sollen sie Einsamkeit, Unruhe oder Depressionen mindern.  

Ob lebendig mit Fell oder aus Plastik mit Platinen: Senioren bauen Bindungen zu Tieren auf – egal ob echt oder künstlich nachempfunden, zeigt die Altersforschung. So liegt es nahe, Ideen aus der tiergestützten Therapie auch mit Robotertieren umzusetzen. Hierzu gibt es bereits diverse wissenschaftliche Studien. Manche davon bauen allerdings auf einem Laborsetting auf oder sie wurden mit Aibo und Paro gemacht, die beide mehrere Tausend Euro kosten. Reichen vielleicht auch Robo-Tiere, die zwar weniger können, aber dafür erschwinglich sind? US-amerikanische Psychologen haben hierzu während der Corona-Pandemie zwei Praxisprojekte begleitet: in einem Heim für Veteranen und einer Einrichtung für Menschen mit Demenz, also im üblichen Lebensumfeld. Ihr Bericht erschien im August 2021 im Fachmagazin „Clinical Gerontologist“.

Weniger Einsamkeitsgefühle dank dem Robotertier

Insgesamt erhielten 289 Demenzpatienten und vier Veteranen Katzen- und Hunderoboter des Herstellers Joy for all, die für rund 100 Dollar zu haben sind. Dank eingebauter Sensoren können sie sich bewegen, zwinkern, bellen oder miauen. Zudem ist ein Herzschlag imitiert. Nach einigen Monaten wurden Senioren und Betreuungspersonal zu ihren Erfahrungen befragt.

Die mit Abstand häufigste Antwort: Fast alle Senioren sagten, sie fühlten sich trotz Pandemie-Isolation dank ihrem neuen Liebling weniger allein – auch wenn dies mit gewisser Vorsicht zu werten ist, da nicht alle projektteilnehmenden Patienten interviewt werden konnten.

Die befragten Kräfte aus medizinischer Therapie, Sozialarbeit und pflegerischer Betreuung beider Einrichtungen gaben an, die Robotertiere animierten zu mehr sozialem Austausch. Personen, die zu Wutanfällen neigten, zeigten merklich weniger Aggression. Es gebe auch immer ein mögliches Gesprächsthema im Betreuungsalltag und auch mehr Spaß. Das mache den Umgang leichter.

Weitere Forschung ist notwendig

Ein 71-jähriger Vietnam-Veteran habe sogar eine Zaubershow auf die Beine gestellt – mit seinem Robo-Hund „Beauregard“ als Assistent. „Das war der Hit“, erzählt eine Kraft aus der Sozialarbeit. „Immer wenn der Mann sprach oder das Publikum klatschte, hat Beauregard als Reaktion auf Geräusch und Bewegung mit dem Kopf genickt und gebellt.“ Ein anderer Senior habe eine besonders innige persönliche Bindung zu seinem Welpen aufgebaut. „Darüber ist sogar sein Beharren auf ‚Würmer in seinem Kopf‘ etwas verflogen, ein psychologisches Symptom bei ihm.“

Demnach waren die Projekte ein Erfolg. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass es noch mehr Forschung bedürfe. Etwa dazu, wer genau im Alter vom Robo-Hund profitieren kann. Hierzu wären zum Beispiel die Biografien derjenigen näher anzusehen, die besonders gut auf den Freund aus Plüsch und Plastik reagieren. Außerdem sei zu untersuchen, inwieweit Senioren die Fake-Tiere für echt halten. Etwaige Programmfehler könnten dann auch ungute Wirkung haben, vor allem auf Menschen mit Demenz.

Dennoch: Wenn Menschen aufgrund von Alter und Krankheit nicht mehr in der Lage sind, echten Heimtieren gerecht zu werden, können gut gemachte Roboter eine Lösung sein – gerade in Krisenzeiten, wenn noch mehr Abstand zu anderen das Leben bestimmt als sonst.

Kimberly van Orden l University of Rochester Medical Center l kimberly_vanorden@urmc.rochester.edu