Beitrag Mensch&Tier

Foto: iStock/PeopleImages

Montag, 09. September 2024

Reiten für mehr Selbstkontrolle

Ständig aktiv, impulsiv, schnell abgelenkt, immer unter Strom: Kinder mit ADHS können ihr Denken, Verhalten und ihre Gefühle oft nur schwer steuern. Das macht es vielen von ihnen schwer, mit Strukturen und Regeln im Alltag zurechtzukommen. Bewegungstherapie mit Pferden kann ihnen dabei helfen, wie eine Studie aus Israel belegt.

Bei kleinen Kindern gehören Unruhe und Hibbeligkeit oft zum Normalzustand. Zuwendung und Routinen sorgen meist dafür, dass sie wieder zu innerer Ruhe finden. Bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gelingt das aber kaum – ihr Aktivitätsniveau bleibt dauerhaft hoch. 

In Grimms Märchen wurden solche Kinder als „Zappelphilipp“ abgewertet. Heute ist bekannt, dass es ihnen eine Störung der Hirnfunktionen schwer macht, sich länger auf eine Sache zu konzentrieren oder sich in bestimmte Strukturen und soziale Gruppen einzugliedern, etwa im Kindergarten, in der Schule oder bei Freizeitaktivitäten. 

Reiten gegen innere Unruhe

In solchen Fällen kann gezielte Bewegungstherapie die Fähigkeit zur Selbststeuerung verbessern – und Bewegungstherapie mit Pferden umso mehr. Diesen Umstand haben die Medizinerin Yafit Gilboa von der Hebräischen Universität Jerusalem und die Beschäftigungstherapeutin Anne Helmer von der Universität Tel Aviv näher untersucht: Sie haben Kinder zwölf Wochen beim therapeutischen Reiten beobachtend begleitet. Im Vorher-Nachher-Vergleich erwies sich dieser therapeutische Ansatz als nachweisbar effektiv. 

Insgesamt nahmen an der Studie 25 Kinder mit ADHS im Alter von 6 bis 14 Jahren von zwei Reitschulen in Israel teil – 22 Jungen und 3 Mädchen. Die einzelnen Therapieblöcke dauerten 45 Minuten. Beim Reiten übten die Kinder zum Beispiel ihre Grob- und Feinmotorik und lernten auch Strategien kennen, mit ihren AHDS-Symptomen umzugehen. 

Pferde machen aufmerksam

Mithilfe von zwei statistischen Auswertemethoden – dem Behavior Rating Inventory of Executive Function und dem Canadian Occupational Performance Measure (COPM) – wurde bestimmt, wie gut die Kinder ihr Verhalten im Griff halten konnten und wie sich dies über die Zeit änderte.

Das Ergebnis der Untersuchung ist vielversprechend: Den Kindern fiel es demnach mit der Zeit leichter, aufmerksam zu bleiben. Zudem hatten sie sich und ihre Verhaltensweisen deutlich besser unter Kontrolle. Somit bietet die Studie „vorläufige Schlüsselhinweise dafür, dass individuelle pferdegestützte Intervention Kinder mit ADHS effektiv unterstützen kann“, schreiben die Autorinnen im „Journal of Alternative and Complementary Medicine“. „Dies könnte ein erster Schritt dahin sein, solche therapeutischen Ansätze aus der Nische in die klinische Umsetzung zu bringen.“

Hebräische Universität Jerusalem l Fachbereich Medizin l Prof. Dr. Yafit Gilboa l yafit.gilboa@remove-this.mail.huji.ac.il