Beitrag Mensch&Tier

Tiere in der Notaufnahme: Tiergestützte Therapie kann als nebenwirkungsarme Alternative zur Standardbehandlung in der Notaufnahme eingesetzt werden. Foto: iStock/monkeybusinessimages

Mittwoch, 24. Mai 2023

Notfall Notaufnahme: Tiergestützte Interventionen statt Psychopharmaka

Die Notaufnahme ist oft die letzte Rettung, sie kann aber selbst auch krank machen: Viele Patienten entwickeln im Nachgang teils bleibende Symptome von starkem psychischen Stress. Die Standardbehandlung sind dann Psychopharmaka. Kunst-, Musik- und tiergestützte Therapie versprechen aber ebenso Erfolg – und das praktisch ohne Nebenwirkungen.

Hektik, Desinfektionsgeruch, Sirenen- und Apparateklang: Die spezielle Atmosphäre von Notaufnahmen kann sich zusätzlich negativ auf das Empfinden der Patienten auswirken, die sich ohnehin Sorgen und womöglich Schmerzen haben. Knapp die Hälfte entwickelt Angstzustände oder Depressionen, die durchaus mehrere Wochen anhalten können, so eine Arbeit von Schweizer Wissenschaftlern des Kantonsspitals Aarau sowie der Universität Bern. Manchmal werde schlicht darüber hinweggegangen oder es werde gar nicht erst erkannt. Falls doch, werden Beruhigungsmittel, Angstlöser oder Antidepressiva verschrieben – mit teils Nebenwirkungen wie Benommenheit, sexuellen Störungen und nicht zuletzt möglicher Abhängigkeit.

Alternative Beruhigungsmittel in der Notaufnahme

Eine Alternative sind kreative Methoden wie Musik- oder Kunsttherapie oder die tiergestützte Therapie. Forscher der Medizinischen Universität Poznan in Polen haben 2021 hierzu fünf jüngere klinische, randomisiert-kontrollierte Studien über Behandlungsmethoden bei psychischen Problemen verbunden mit einem Aufenthalt in der Notaufnahme verglichen. Betrachtet wurden jeweils die Effekte, Risiken und mögliche Grenzen. Das Ergebnis: Alle drei genannten Ansätze zeigen Erfolge.

In der tiergestützten Therapie etwa kommen speziell ausgebildete Tiere, meist Hunde, zum Einsatz. In der hierzu betrachteten Studie empfanden die Patienten nach dem therapeutisch begleiteten Zusammensein mit dem Vierbeiner anhaltend weniger Schmerz und berichteten über weniger Angst. Bei der Kontrollgruppe ohne Helfer auf vier Pfoten zeigte sich dies nicht. Der Schweregrad von Depressionen sank indes bei beiden Gruppen, in der Hundegruppe jedoch statisch deutlicher.

Allerdings ist die Studienlage umstritten: Kritische Stimmen aus der Wissenschaft stellen die Frage, wie sich die Effektivität solcher Therapien objektiv messbar auf den Tierkontakt zurückzuführen lässt. Doch auch wenn die Therapiewirkung (noch) nicht mit konkreten Zahlenwerten zu beziffern ist – die Teilnehmer solcher Studien erleben positive Effekte.

Tiergestützte Interventionen sind gut umsetzbar

Als vorteilhaft erwähnen die Autoren, dass vergleichsweise wenige Patienten und Fachkräfte im medizinischen Personal Allergien oder Angst vor den Tieren haben – das spräche dann gegen eine tiergestützte Intervention. Auch der Herausforderung in Sachen Hygiene ließe sich gut begegnen. Etwa, indem eigene Räumlichkeiten eingerichtet und die Tiere routinemäßig tierärztlich untersucht und geimpft werden.

Positiv sei auch die große gesellschaftliche Akzeptanz. Immerhin haben viele Menschen auch eigene Heimtiere. So sollten mehr Krankenhäuser in Zusammenarbeit mit Fachleuten auf dem jeweiligen Therapiegebiet solche Behandlungen anbieten, schreiben die Autoren – ob nun mit harmonischen Klängen, Ausmalbuch oder eben mithilfe eines Hundes.

Tsz Yuen Au l Poznan University of Medical Sciences l caryau1997@gmail.com