Beitrag Mensch&Tier

Vielfältige Co-Therapeuten: Meerschweinchen nehmen gern Kontakt mit Patienten auf, wenn man ihnen Rückzugsmöglichkeiten lässt. Foto: Rehab Basel

Donnerstag, 05. Juli 2018

Motivationskünstler Meerschweinchen

Kleintiere als Co-Therapeuten: Das Rehab Basel, eine Schweizer Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie, weist Erfolge in der tiergestützten Therapie mit Meerschweinchen bei Patienten mit Hirnverletzungen vor.

Die 56 Jahre alte Patientin ist so niedergeschlagen, dass sie sich kaum zur Therapie aufraffen kann. Nach einem schweren Unfall leidet sie unter Lähmungserscheinungen und Problemen beim Sprechen. Dazu kommt die bittere Gewissheit, dass Schäden zurückbleiben werden.

Wie gut, dass es am Rehab Basel, einer Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie, wahre Motivationskünstler gibt: Meerschweinchen. Mit diesen Tieren lassen die Mediziner  immer wieder sogar solche Patienten zusammentreffen, deren Lebensmut gebrochen scheint. Auch die 56-Jährige kommt zweimal wöchentlich mit einer Dreiergruppe aus Meerschweinchen zusammen. Zu diesen Tieren zu sprechen und sie womöglich zu streicheln, fällt ihr leichter, als mit Menschen zu reden. Mithilfe der Nager gewinnt die Patientin zusehends Ausdrucksmöglichkeiten zurück.

„Meerschweinchen sind sehr kommunikativ. Sie verständigen sich durch Quieken und Pfeifen, nehmen auch zu Menschen auf diese Weise Kontakt auf. Unter anderem deshalb eignen sie sich gut für die therapeutische Arbeit“, sagt Dr. Karin Hediger, Leiterin der Forschungsgruppe Tiergestützte Therapie des Rehab Basel. „Die Tiere erkennen vertraute Menschen und bauen eine Beziehung zu ihnen auf“, hat Hediger beobachtet. „Allerdings sind Meerscheinchen keine Streicheltiere. Setzt man sie den Patienten einfach auf den Schoß, empfinden sie Stress“, fasst die Therapeutin zusammen. Von elementarer Bedeutung für die Therapie sei daher, dass der Mensch den kleinen Nagern Rückzugsmöglichkeiten lasse.

Um dies sicherzustellen, setzen Hediger und ihr Team auf ein spezielles Gehege, das sich auf einem mobilen Tisch befindet. An diesem Tisch können die Patienten, etwa vom Rollstuhl aus, jene Meerschweinchen streicheln oder füttern, die sich ihnen aus eigenem Antrieb nähern. Die kleinen Nager kommen in der Klinik sowohl im Rahmen der Logopädie als auch der Physio-, der Ergo- und der Psychotherapie zum Einsatz.

 Seit fünf Jahren untersucht die Forschungsgruppe Tiergestützte Therapie die Interaktion zwischen Patienten und Tieren, finanziert von der Stiftung pro Rehab Basel sowie – für den Zeitraum von 2017 bis 2021 – mit Fördermitteln des Schweizer Nationalfonds. Über 100 Patienten haben bis heute eine tiergestützte Therapie am Rehab Basel gemacht, darunter viele Menschen, die – etwa bei Verkehrsunfällen – schwere Hirnverletzungen erlitten hatten. Anhand von physiologischen Parametern wie der Herzschläge oder der Hirnströme konnte die Forschungsgruppe sogar bei Wachkoma-Patienten nachweisen, dass die Nähe zu Tieren positive Emotionen wachrufen kann.

 Dennoch lasse sich nicht alles in Zahlen ausdrücken, sagt Hediger. Mitunter äußere sich der Erfolg in der Arbeit mit den Meerschweinchen auch im unverhofften Lächeln eines hirngeschädigten Menschen. „Das sind die schönsten Momente, die man sich nur denken kann“, findet die Wissenschaftlerin.

Universität Basel | Fakultät für Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie l Dr. Karin Hediger l karin.hediger@remove-this.unibas.ch l www.rehab.ch