Beitrag Mensch&Tier

Prof. Dr. Kerstin Jürgens von der Universität Kassel erzählt über das Projekt „Tier – Mensch – Gesellschaft" Foto: iStock/HMVart

Freitag, 10. März 2023

Mensch-Tier-Beziehung aus geisteswissenschaftlicher Perspektive

An der Universität Kassel hat sich im Jahr 2018 unter dem Titel „Tier – Mensch – Gesellschaft“ ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus Fachbereichen wie Philosophie, Human-Animal-Studies und Geschichte etabliert. Prof. Dr. Kerstin Jürgens,  Professorin für Mikrosoziologie an der Universität Kassel, erklärt, wie die universitätsinterne und -externe Zusammenarbeit von Forschenden dazu beitragen soll, das Verständnis vom Zusammenleben von Mensch und Tier zu verbessern.

Frau Prof. Dr. Jürgens, was war der Anstoß für Ihr Projekt „Tier – Mensch – Gesellschaft“?

Die Universität Kassel hat sich bereits mit Fragen des nachhaltigen Lebens beschäftigt, als diese noch nicht so prominent diskutiert wurden wie heute. Wir haben einen ganzen Fachbereich zum Thema „Ökologische Agrarwissenschaften“, und auch in anderen Bereichen erforschen wir, wie sich Natur und Kultur zueinander stellen. Unter dem Titel „Tier – Mensch – Gesellschaft“ bündeln wir alle Projekte, die Tiere in die Analyse einbeziehen. Wir tauschen Befunde aus und veranstalten Konferenzen. Einige unserer empirischen Studien werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Das ist für uns essenziell, denn ohne solche Mittel könnten wir nicht umfassend erheben, wie sich Menschen zu Tieren positionieren. Uns erscheint eine Antwort hierauf jedoch bedeutsam angesichts der sozial-ökologischen Transformation, in der sich die Gesellschaft befindet.

Könnten Sie eine Ihrer Studien exemplarisch beschreiben?

Es gibt Projekte z. B. zum Umgang mit Nutztieren oder mit Wildtieren, die in der Stadt auftauchen. In unserer soziologischen Studie „Tiere als Gefährten“, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, wiederum stehen Tiere im Zentrum, mit denen Menschen Haus und Wohnung teilen. Wir – das sind Markus Kurth, Sarah Mönkeberg und ich – untersuchen, warum diese Tiere überhaupt angeschafft werden, und was dann genau im Zusammenleben passiert. Vielfach wird vom Haustier als „Familienmitglied“ oder „besten Freund“ gesprochen – aber das ist zum einen ein sehr verkürzter Blick auf diese Tier-Mensch-Beziehungen, zum anderen bleibt bislang offen, worin die vermeintlich besondere Nähe überhaupt besteht. Um dem auf den Grund zu gehen, beziehen wir auch die diversen Dienstleistungsangebote wie beispielsweise Tiersitting und Coaching ein.

Wie ist der Ausblick des Projekts?

Unser Projekt läuft noch bis 2024, aber wir haben bereits zahlreiche Interviews mit Tierhalter*innen und Dienstleister*innen geführt. Unsere erste Auswertung des Datenmaterials zeigt, dass die Tieranschaffung eine Reaktion auf vielfältige humane Bedürfnisse darstellt, also vorwiegend den Interessen der Halter*innen folgt. Zugleich aber nehmen die Tiere erheblichen Einfluss auf die Lebensführung der Befragten. Es spricht daher viel dafür, Interspeziesbeziehungen mehr Aufmerksamkeit zu schenken – insbesondere in Anbetracht der Transformationsdynamik.

Universität Kassel | Fachgruppe Soziologie Prof. Dr. Kerstin Jürgens | juergens@remove-this.uni-kassel.de l www.gefährtentier.de