Donnerstag, 03. April 2025
Kinderbetreuung zwischen Katzen und Küken
Tiere, Bewegung, Matsch und viel individuelle Freiheit: Ein Bauernhofkindergarten in Niedersachsen setzt auf die kindliche Entwicklung in und mit der Natur. Hier helfen Pferde, Kaninchen, Ziegen, Hühner, Katzen und ein Hund den Kleinen, sich auszuprobieren und zu erfahren, wer sie sind.
Eine quirlige Vierjährige läuft auf eine Henne zu und will ungestüm das braune Federkleid streicheln. Die Henne entwischt, gackert missmutig – und zeigt dem Mädchen so Grenzen auf. Das wendet sich zum Hund und krault ihm die Ohren. Der Vierbeiner räkelt sich. Auch dies kommt unmissverständlich an: Kraulen erzeugt Wohlbehagen.
Tiere spiegeln das Handeln der Kinder
Das Mädchen ist eines von 50 Kindern, die im Bauernhofkindergarten Teichgut in direktem Kontakt mit der Natur groß werden dürfen. „Von Tieren nehmen Kinder Dinge sehr gut an – viel besser, als wenn ein Erwachsener sagt ‚lass das sein‘ oder ‚so ist gut‘, sagt Wiebke Thölke, Mitbegründerin des Bauernhofkindergartens. „Die Tiere bei uns sind nicht auf Sanftmut trainiert. Sie reagieren unverstellt auf die Kinder und die bekommen sich und ihr Handeln reflektiert.“
Die Erzieherin und Reitpädagogin hat mit zwei Kolleginnen diesen besonderen Kindergarten gegründet. „Die Idee, Bauernhof und Erziehung zusammenzubringen, ist nicht von uns. Das Konzept gab es vorher schon. Wir haben es abgeguckt und andere schauen jetzt bei uns“, sagt Thölke.
Raum für Entfaltung und Erfahrungen
Das Haus in Wahrenholz ist ein umgebauter ehemaliger Rinderstall. Dazu gibt es ein riesiges Außengelände mit Spielplatz, Gemüsegarten, Scheune und Reithalle. Das ist viel Raum für Entfaltung – und Herausforderung zugleich: Alles muss pädagogisch besetzt sein, um die Kinder durch den Tag zu begleiten und den Tierschutz zu wahren. Daher gibt es mehr Kräfte als der Personalschlüssel vorgibt.
Der sieht für 50 Kinder vier Erzieher vor. In Teichgut sind es zu jeder Zeit mindestens sechs. Und aktuell wurde für ein Inklusionskind mit Trisomie 21 noch eine Extrakraft eingestellt. „Sie wird hier mit allen anderen zusammen groß. Alle Kinder wissen, wer sie ist und dass sie ganz normal ist.“
Alle Kinder können sich hier in größtmöglicher Freiheit ausleben. Legen Regelkindergärten oft mehr Wert auf frühkindliche Bildung wie etwa Fremdsprachen oder den Umgang mit Computern, geht es in Teichgut vor allem um Beziehung und Selbsterfahrung. „Regeln haben wir auch“, erläutert Thölke. „Aber die beziehen sich auf den Umgang miteinander, nicht auf Strukturen oder Tätigkeiten.“ So heißt es hier nicht: Um zehn Uhr malen wir alle und um elf wird gesungen. Wichtiger ist, was die Kinder wann für sich selbst entscheiden.
Großer Andrang auf die Bauernhof-Pädagogik
Ein Junge etwa mag beim Spielen im Dreck vielleicht keine Matschhose anziehen. „Manche Eltern sagen dann, er müsse die Hose anziehen, damit er nicht krank wird. Dann unterstützen wir das Kind. Es schwitzt oder friert vielleicht weniger als andere und wird durch die Hose nur eingeengt“, beschreibt Thölke eine klassische Situation aus der Elternarbeit. Die wird in Teichgut ebenfalls großgeschrieben.
Dieses Gesamtpaket kommt gut an. Jedes Jahr gibt es rund 16 freie Plätze, aber stets deutlich mehr Anmeldungen. Dann entscheidet unter anderem die Altersstruktur, damit die drei Gruppen ausgeglichen besetzt sind. Wer erst einmal leer ausgeht, hat ein Jahr später vielleicht Glück. Viele Kinder verbringen das letzte Jahr vor der Schule auf dem Hof.
Man merkt Thölke die Freude an ihrer Arbeit an. „Ich bin früher selbst so großgeworden. Draußen, mit allen Elementen.“ Nun setzt sie sich mit Herzblut dafür ein, dass Kinder heute das ebenso erleben können.
Bauernhofkindergarten Teichgut | Wiebke Thölke | info@ | bauernhofkiga-teichgut.dewww.bauernhofkiga-teichgut.de