Beitrag Mensch&Tier

Donnerstag, 19. Mai 2011

Internationaler Vergleich zeigt gravierende Unterschiede im Tierschutz auf

Tierschutz ist im bundesdeutschen Grundgesetz seit 2002 als Staatsziel fest verankert. Auf der IAHAIO-Konferenz 2010 in Stockholm stellten nun Antoine F. Goetschel und Gieri Bolliger von der schweizerischen „Stiftung für das Tier im Recht“ (TIR) die Ergebnisse einer ersten rechtsvergleichenden Studie über die Stellung des Tieres in 36 nationalen Rechtsordnungen vor.

Inhalt der achtzehn Kernfragen umfassenden Untersuchung waren beispielsweise das Vorhandensein eines Tierschutzgesetzes, das Strafmaß bei Tierschutzvergehen, Entschädigungszahlungen bei Tierverlust oder die Vorgehensweise bei Fundtieren. Auch den Fragen, unter welchen Bedingungen Tiere gehalten, einem verschuldeten Besitzer weggenommen oder vererbt werden können, wurde nachgegangen.

Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass es in über 25 der 36 befragten Länder immerhin ein Tierschutzgesetz gibt – auch wenn aus Sicht des Tierschutzes nach wie vor große inhaltliche Defizite bestehen. Europaweit werden Tieren in der Schweiz, in Österreich, Liechtenstein und Deutschland die meisten Rechte zugesprochen; außereuropäisch hat Südafrika den umfassendsten Tierschutz. Das Kriterium, das in den untersuchten Ländern am häufigsten erfüllt wird, ist das einer gesetzlich festgelegten Bestrafung bei Tierquälerei. Trotz der nachgewiesenen positiven Wirkungen bestehen allerdings bislang in den untersuchten Ländern noch keine gesetzlich festgelegten Rechte in Bezug auf die Thematiken „Tiere in Krankenhäusern“ oder „Tiere am Arbeitsplatz“. Auch der aus Sicht des Tierschutzes sinnvolle Aspekt einer richterlichen Überprüfung der psychologischen Geeignetheit von Tierhaltern ist bislang nur in wenigen Staaten geregelt. 

Ein Überblick zu den Fragen und Ergebnissen findet sich unter:
http://www.tierimrecht.org

Kurzinterview 

Dr. Gieri Bolliger im Interview: „Ein korrekter Umgang mit Tieren stellt sich nicht von alleine ein“


Welches Ziel hatte Ihre Studie?
In erster Linie erhoffen wir uns eine sukzessive, staatenübergreifende Verbesserung des rechtlichen Schutzes von Tieren. Durch die Rechtsvergleichung sollen die Länder motiviert werden, ihre eigene Gesetzgebung zu überprüfen und mit anderen Staaten zu vergleichen.


Warum erachten Sie das Recht von Tieren für wichtig?
Leider lehrt die Erfahrung, dass sich ein korrekter Umgang mit Tieren nicht bei allen Tierhaltern von alleine einstellt. Erst mit griffigen Gesetzesbestimmungen und deren striktem Vollzug kommt Tieren ein angemessener Schutz zu.


Was sind Ihre Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Studie?
Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass in den verschiedenen Staaten große Unterschiede bezüglich des Tierschutz-Niveaus bestehen. Selbst in den Ländern, deren Tierschutznormen im internationalen Vergleich als tierfreundlich einzustufen sind, besteht noch viel Verbesserungspotenzial.


Deutschland konnte fast um die Hälfte weniger Punkte bejahen als sein Nachbarland Schweiz. Wie erklären Sie sich das?
Die Rechtsvergleichung soll nicht so verstanden werden, dass die Punkte der einzelnen Länder (Anm. d. Red.: innerhalb der Antwortmatrix) addiert werden und eine Rangliste ergeben. Auch wenn in Deutschland gewisse Bereiche noch nicht rechtlich geregelt sind, während dies in der Schweiz bereits geschehen ist, lässt sich daraus nicht ableiten, dass das Tierschutz-Niveau in der Schweiz fast doppelt so hoch ist wie in Deutschland.

Die schweizerische Stiftung für das Tier im Recht (TIR) wurde 1996 gegründet. Ihr Ziel ist die rechtliche Besserstellung der Tiere. Die TIR verfasst unter anderem juristische Kommentare, Gutachten und Stellungnahmen zum Tierschutzgesetz und anderen tierrelevanten Rechtsbereichen, um damit solide Grundlagen für wünschenswerte Gesetzesänderungen zu bieten. Ein Erfolg der TIR: Seit April 2003 bildet das Tier im schweizerischen Recht eine eigene Rechtskategorie zwischen Sache und Mensch.

Weitere Informationen und Kontakt:
Dr. Gieri Bolliger, Tier im Recht
Email: info@remove-this.tierimrecht.org
www.tierimrecht.org