Beitrag Mensch&Tier

Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind (geb. 1936 in Tokio, Japan) war von 1978 bis 1982 Landesjustizminister in Hannover, 1984 bis 1989 Präsident der Deutschen Kriminologischen Gesellschaft und 1987 bis 1990 Vorsitzender der (Anti-)Gewaltkommission der Bundesregierung. Seit 1996 ist er Präsident des Stiftungsrates der Deutschen Stiftung für Verbrechensverhütung und Straffälligenhilfe (DVS) und seit 2002 Vorstandsmitglied des Weissen Ringes.

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Einsatz von Tieren zur Rehabilitation in Justizvollzugsanstalten

Der Osnabrücker Kriminologe Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind widmet sich seit Langem den Themen der Gewaltprävention und Verbrechensverhütung. In seiner nun vorgelegten Publikation „Tiere im Strafvollzug“ gibt er einen Überblick über die aktuelle Situation der Tierhaltung im Strafvollzug in Deutschland und geht der Frage nach, welche längerfristigen Wirkungen Tierkontakt auf Insassen von Gefängnissen haben kann.

Nach dem Strafvollzugsgesetz ist die wohnliche Ausstattung des Haftraums mit eigenen Sachen und Gegenständen, die der Freizeitbeschäftigung dienen, grundsätzlich zulässig. Trotz dieses persönlichen Freiraums untersagen die überwiegende Zahl von Strafvollzugsanstalten jedwede Art von Heimtierhaltung. Und auch dort, wo die Tierhaltung innerhalb des Gefängnisses erlaubt ist, scheuen viele Gefangene den damit verbundenen Aufwand. Einzige Ausnahme: die persönliche Tierhaltung bei langstrafig Inhaftierten.

Außerhalb der Hafträume werden Tiere häufiger gehalten, z.B. in der Form von Aquarien, Gartenteichen und Vogelvolieren. Obwohl gerade im Jugendstrafvollzug Tiergestützte Aktivitäten positive Effekte auf die Häftlinge zeigen, gibt es bisher selten konkrete Angebote. Als Beispiele beschreibt Schwind u.a. die Programme der JVA Vechta und der JSA Neustrelitz. Ausgehend von den Ergebnissen seiner Erhebung empfiehlt Schwind, Tiergestützte Aktivitäten im Strafvollzug vermehrt einzusetzen.

Kurzinterview


1. Welche Wirkung hat der Tierkontakt auf Gefangene?


In Betracht kommt z.B. die Reduktion negativer Gefühle bis hin zum Abbau von suizidalen Stimmungen. Auf der anderen Seite kann Verantwortungsbewusstsein aufgebaut werden, wenn „Kümmern“ in den Vordergrund rückt. Tiere (etwa Kaninchen, Vögel oder Hunde) müssen gepflegt und gefüttert werden. In der JSA Neustrelitz geschieht das bereits auf vorbildliche Weise. Auch die Beschäftigung mit Vögeln kann emotionale Bindungen stärken. Die „Lebenslänglichen“, die oft seit vielen Jahren keinen Besuch mehr bekommen, hängen an diesen Tieren. Die Beschäftigung mit Tieren fördert auch soziale Fähigkeiten wie Rücksichtnahme, Geduld, Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen.

2. In Deutschland gibt es relativ wenige Beispiele für den Einsatz von Tieren im Strafvollzug. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?


Tierhaltung durch Gefangene bringt zweifellos Unruhe in die Anstalt. Es gibt auch Sicherheitsbedenken oder die Furcht, dass z.B. die „Vogelgrippe“ eingeschleppt werden könnte, was natürlich völlig unbegründet ist. Und wer kauft das Futter und wer bezahlt es? Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass das Anstaltsklima verbessert und die Ansprechbarkeit des Gefangenen erhöht werden können. In manchen Anstalten fehlt aber schon der Platz für entsprechende Aktivitäten. Die JSA Neustrelitz, die über ein Anstaltsgelände von 15 Hektar verfügt, kann für die Tierhaltung ein Teilareal von 10.000 qm zur Verfügung stellen. Das gilt auch für die JVA Vechta.

3. Werden Ihrer Meinung nach Straftäter, die im Gefängnis Kontakt zu Tieren hatten, seltener rück fällig als Straftäter ohne Tierkontakt?


Tiergestützte Aktivitäten betrachte ich als einen Teil des Resozialisierungsvollzuges, den die Strafvollzugsgesetze anstreben. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand können entsprechende Aktivitäten positiv zur Resozialisierung beitragen.

Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind (geb. 1936 in Tokio, Japan) war von 1978 bis 1982 Landesjustizminister in Hannover, 1984 bis 1989 Präsident der Deutschen Kriminologischen Gesellschaft und 1987 bis 1990 Vorsitzender der (Anti-)Gewaltkommission der Bundesregierung. Seit 1996 ist er Präsident des Stiftungsrates der Deutschen Stiftung für Verbrechensverhütung und Straffälligenhilfe (DVS) und seit 2002 Vorstandsmitglied des Weissen Ringes.

Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind
Tel. 0541-41433