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Mittwoch, 08. Oktober 2025

Der Deutsche und sein Vogel

Es sind 3,2 Millionen Ziervögel, die aktuell in deutschen Haushalten zwitschern. Wie es um die Beziehung zwischen ihnen und ihren Haltern bestellt ist, hat eine Studie der Universitäten in München und Erlangen untersucht. Das Ergebnis: Die meisten Vogelhalter haben eine (enge) Bindung zu ihren Tieren.

Seit Jahrtausenden stehen Menschen und Vögel in Beziehung. Die erste Domestizierung von Hühnern beispielsweise wird rund 10.000 Jahre zurückdatiert. Anfangs dienten die Federtiere vermutlich überwiegend der menschlichen Ernährung. Wann Menschen begannen, Vögel als Gefährten und Sozialpartner zu halten, ist in der Wissenschaft umstritten – Berichte über Papageien als Heimtiere sind mindestens 2.500 Jahre alt.

Forscher entwickeln eigene Messmethode für Vögel

Auch heute sind Ziervögel beliebte Mitbewohner: 3,2 Millionen von ihnen flattern laut einer repräsentativen Erhebung des Industrieverbands Heimtierbedarf (IVH) e.V. und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) durch deutsche Wohnzimmer. 

Welche Beziehung zwischen diesen Vögeln und ihren Haltern besteht, wollte ein Team von Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg rund um die Veterinärmedizinerin Anne-Kathrin Burmeister wissen. Da es bisher keine wissenschaftliche Methode gab, um die Vogel-Mensch-Beziehung zu messen, entwickelten die Forscher eine eigene Skala in einer Fokusgruppe mit vier Tierärzten und einem Soziologen.

Fragebogen ermittelt Bindung zum Vogel

Über Aushänge beim Tierarzt, über Zuchtvereine und im Internet konnten 1.444 Vogelhalter gewonnen werden, um einen Online-Fragebogen mit 21 Punkten auszufüllen. Dabei sollten die Studienteilnehmer Aussagen wie „Durch meinen Vogel fühle ich mich gebraucht“, „Wenn mein Vogel krank ist, ist es meine Pflicht, mich um ihn zu kümmern“ oder „Manchmal frage ich mich, was mein Vogel denkt“ reflektieren und einschätzen, inwieweit ihre eigene Einstellung damit übereinstimmt.

Ziel war, die Ausprägung verschiedener Verhaltensweisen zu bestimmen: zum einen den Grad von Anthromorphismus, also die Zuschreibung menschlicher Eigenschaften auf den Vogel, sowie die soziale Unterstützung, die der Halter durch das Tier empfindet. Zum anderen sollten die Fragen ermitteln, mit welcher Empathie, Respekt und Zuwendung die Vögel gehalten werden. 

Mehrheit der Vogelhalter sieht einzigartige Persönlichkeit des Tieres

Die Ergebnisse der im Fachjournal „Frontiers in Veterinary Science“ veröffentlichten Studie zeigen, dass die Hälfte der Vogelhalter in Deutschland eine persönliche Beziehung zu ihren Tieren pflegt. Knapp ein Viertel hat sogar eine enge persönliche Beziehung zum eigenen Vogel. Das bestimmt den Studienleitern zufolge nicht nur die Qualität der Vogelhaltung, sondern auch die Wahrnehmung der räumlichen Nähe zwischen Mensch und Vogel: „Während die überwältigende Mehrheit der Vogelhalter den Tieren eine einzigartige Persönlichkeit zuschreibt und viel Empathie empfindet, haben nur 29,2 Prozent der Befragten eine starke emotionale Bindung zu ihrem Vogel entwickelt“, schreiben die Wissenschaftler. „Die Hälfte der Vögel zeigt – so empfinden es zumindest ihre Besitzer – ein nähesuchendes Verhalten, das eine gewisse Gegenseitigkeit der Gefühle nahelegt.“

Verschiedene Gruppen unter den Studienteilnehmern standen im Zusammenhang mit einer geringeren Tendenz zur Vermenschlichung: männliche Vogelhalter, Vogelhalter älter als 26 Jahre, Menschen mit höherem Bildungs- und Einkommensniveau, verheiratete Vogelhalter sowie Personen, die in ländlichen Gegenden leben. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich in Bezug auf die Frage, wie viel soziale Unterstützung ein Vogel seinem Menschen bietet. 

Ludwig-Maximilians-Universität | Tierärztliche Fakultät | VETSkills Lab | Dr. med. vet. Anne-Kathrin Burmeister | skillslab@remove-this.dekanat.vetmed.uni-muenchen.de