Beitrag Mensch&Tier

Foto: Rayla Metzner

Montag, 07. Juli 2025

Colombo verbessert die Lehre

An der Hochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt arbeitet einer der wenigen Hochschulhunde Deutschlands. Colombos Jobbeschreibung: für Entspannung und gute Laune sorgen, Streicheleinheiten genießen, Stress nehmen, schlafen. Wie die Studierenden von der Anwesenheit des Hundes profitieren, hat Dr. Rayla Metzner mit einer Befragung über vier Semester evaluiert.

Die junge Studentin rutscht auf ihrem Stuhl herum, blickt unsicher von einem Prüfer zum anderen, ihre Stimme zittert. Sie sitzt hier, um ihre Bachelorarbeit im Studiengang Soziale Arbeit zu verteidigen – der letzte und nervenaufreibendste Teil ihres Studiums an der Hochschule Merseburg. Basset Hound Colombo erhebt sich von seinem Platz neben seinem Frauchen, der Lehrkraft Dr. Rayla Metzner. Er schlendert zu der Studentin, legt seine Nase an ihr Knie. Sie streichelt seine weichen Ohren. Ihre Stimme wird ruhiger, der Blick hört auf zu wandern, ihre Antwort auf die nächste Frage kommt klarer und konzentrierter als zuvor. Colombo hat seinen Job gemacht.  

Colombo spürt, wer ihn gerade braucht

Der drei Jahre alte Rüde mit den Schlappohren ist einer der ersten Hunde, die in deutschen Hochschulen und Universitäten an Prüfungen und Lehrveranstaltungen teilnehmen dürfen. Anders als ein aktiv eingesetzter Therapiebegleithund hat er dabei nur wenige feste Aufgaben. Sein Job ist es, das zu tun, was er am besten kann: mit seiner Anwesenheit für ein entspanntes Klima sorgen. Colombo hat offensichtlich ein Gespür dafür, welcher Mensch ihn gerade braucht. Von sich aus setzt oder legt er sich neben Studenten, die in Prüfungssituationen bibbern. Er fordert sie zu Streicheleinheiten auf und nimmt so den Stress. Oder er liegt einfach auf seinem Platz und nimmt belastenden Themen, die in der Sozialen Arbeit häufig vorkommen, die Schwere.

„Unsere Seminarinhalte drehen sich auch um emotional herausfordernde Themen wie Kindeswohlgefährdung und Kinderschutz“, berichtet Dr. Rayla Metzner. „Viele Studenten haben mir die Rückmeldung gegeben, dass Colombos Anwesenheit sie offener für diese Themen macht und die Erkenntnisse dank ihm leichter zu verdauen sind.“

Ein Hund verbessert die Lernatmosphäre

Die positiven Effekte ihres Hochschulhundes hat Metzner wissenschaftlich evaluiert: Eine Umfrage unter den Studierenden der Hochschule Merseburg, die an Seminaren in Anwesenheit von Colombo teilgenommen haben, belegt die verbesserte Lernatmosphäre. Ein Großteil der 53 Umfrageteilnehmer gab an, entspannter und fröhlicher zu sein. Viele teilten mit, dass sie sich ausgeglichener und motivierter fühlen und auf ihre Kommilitonen im Seminar offener zugehen. Lediglich für zwei veränderte sich nichts und eine Person fühlte sich angespannter. 

Drei Viertel der Befragten sagten, das kommunikative Verhalten der anderen Seminarteilnehmer habe sich positiv verändert. Der Hund wurde als Eisbrecher im Umgang mit den Kommilitonen empfunden. 

Diese positive Wahrnehmung der Studenten überrascht Metzner nicht. Bereits in ihrem früheren Berufsleben bei der Caritas durfte sie die positiven Effekte des Hundekontakts erleben. Eine zufällige Begebenheit motivierte sie, einen Hovawart in der teilstationären Kinder- und Jugendeinrichtung einzusetzen, die sie damals leitete. „In der Einrichtung wurde ein Vorschulkind betreut, das kaum mit den Kindern und Betreuenden sprach“, erinnert sie sich. „Eines Tages habe ich den Jungen kurz mit nach Hause genommen, weil ich etwas vergessen hatte. Mein Familienhund, ein Schäferhund-Mix, warf ihm einen Ball vor die Füße, die beiden spielten und kuschelten.“ Auf der Rückfahrt dann die Überraschung: Der Junge bombardierte Metzner mit Fragen über den Hund. 
 
Hundgestütztes Konzept wird jedes Jahr neu bewilligt

Somit wurde eigens für den Einsatz in der Einrichtung ein Hovawart-Welpe ausgewählt, der nach einer angemessenen Eingewöhnung sein Frauchen regelmäßig begleitete. Der Lärmpegel sank mit Anwesenheit des Hundes um 50 Prozent. „Kinder, die sich sonst nur eingeschränkt steuern konnten, schlichen auf Zehenspitzen den Flur entlang, um das empfindliche Gehör des Hundes nicht zu stören“, berichtet Metzner. 

Für die systemische Familientherapeutin und Supervisorin war es daher nur logisch, auch in der Lehre an der Hochschule Merseburg einen Hund einzusetzen. „Die Effekte sind vermutlich dieselben – ob nun bei Kindern oder bei Studierenden“, sagt sie. „Viele Studenten lieben Colombo und empfinden ihn als Bereicherung im Hochschulalltag.“ Ein sorgfältig ausgearbeitetes Konzept sorgt dafür, dass Colombos Fans genau wissen, was und wer in den Seminaren mit Hund auf sie zukommt. Zudem ist gewährleistet, dass Colombo seine Ruhezonen hat und nur an ausgewählten Tagen pro Woche in Seminaren oder Prüfungen anwesend ist. Das Konzept wird jedes Jahr vor der Weiterbewilligung von der Hochschulleitung neu geprüft. 

Bisher ist Colombos Einsatz für alle Beteiligten ein Gewinn: Die Studierenden lernen besser, der Hochschulhund gibt dem Fachbereich ein Alleinstellungsmerkmal und sein Frauchen erhielt für ihr Engagement 2024 den Lehrpreis der Hochschule Merseburg. 

Hochschule Merseburg | Fachbereich Soziale Arbeit.Medien.Kultur | Dr. phil. Rayla Metzner | rayla.metzner@remove-this.hs-merseburg.de

Neue Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Interventionen
Bisher existieren in den ostdeutschen Bundesländern nur wenige Einrichtungen, die eine Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Interventionen anbieten. Dabei ist das Interesse groß: Viele Studierende der Hochschule Merseburg würden später gern ein eigenes Tier fundiert in ihre Arbeit einbinden. Aktuell bietet Dr. Metzner dazu zwei Seminare im Rahmen des Studiengangs Soziale Arbeit an. Zusätzlich soll es demnächst eine eigene Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Interventionen an der Fortbildungsakademie der Hochschule Merseburg geben: https://www.hs-merseburg.de/hochschule/einrichtungen/weiterbildung/