Donnerstag, 04. April 2024
Beschäftigungstherapie mit Huhn
Den Aufenthalt in einer Klinik oder das Leben im Seniorenheim empfinden viele Menschen als langweiliger und eintöniger als zu Hause. Tierbesuche können gewisse Farbtupfer ins Grau bringen. Doch was, wenn Hunde oder Katzen und deren meist einrichtungsfremde Begleitpersonen diese nicht betreten dürfen wie zu Zeiten der Corona-Pandemie? Dann können Hühner den Tag bunter machen – trotz trennender Glasscheibe.
Der Tag ist lang, die Stunden ziehen sich. Alte Menschen auf Station oder in Heimen klagen oft darüber, kaum etwas mit sich und der vielen Zeit anfangen zu können. Frühere Routinen, Hobbys und das gewohnte soziale Umfeld fehlen. Die Corona-Pandemie hat das noch verschlimmert: Die ohnehin spärlichen Freizeitgänge und Besuche von außen wurden gestrichen. Die Verletzlichen in der Gesellschaft sollten besonders sicher sein. Doch das kam mit Abschottung und Isolation daher – zu hohen emotionalen Kosten, die erst noch zu beziffern sind.
Diese Tristesse brachte eine Masterstudentin der Beschäftigungstherapie, Sandra Wood, und ihre Betreuerin Mary Thelander Hill von der Staatlichen Universität New Mexico in Albuquerque auf eine Idee. Eigentlich sollte Wood in einer Senioreneinrichtung praktische Erfahrung in etablierter tiergestützter Therapie sammeln. Nun übertrug sie diese auf den klinischen Alltag unter Pandemieregeln – mit tatkräftiger Hilfe eines handaufgezogenen Brahma-Huhns, das sie fortan bei der Arbeit begleitete.
Ein Huhn zu Gast
Seit den 1980er Jahren gibt es Studien zu tiergestützter Intervention über die schon klassischen Hunde- und Katzenbesuche hinaus. Sie schreiben auch Pferden, Fischen, Kanarienvögeln, Bauernhof- und sogar Robotertieren Erfolge zu.
Wie also würde sich das Huhn dabei machen? Sandra Woods und ihre Dozentin und Mitautorin Mary Thelander Hill veröffentlichten ihre Beobachtungen 2022 online im „Student Journal of Occupational Therapy“.
„Imposant und wow!“
Interessierte Senioren konnten das von hauseigenen Beschäftigungstherapeuten begleitete Huhn durchs Zimmerfenster beobachten. So kamen sie dem Tier räumlich nahe ohne das Risiko von Ansteckung. Kommuniziert wurde mittels I-Pads oder Papierblätter mit aufgeschriebenen Fragen und Antworten. Zeitlich orientierten sich die Therapeuten an der Körpersprache der Patienten. Wendeten sie sich erkennbar ab, endeten die Besuche – in der Regel nach fünf bis sieben Minuten.
Trotz der kurzen Zeit der Interaktion waren die Reaktionen absolut positiv. „Das war toll! Ich liebe Vögel. Ich hatte früher immer welche, zum Beispiel Kanarienvögel“, sagte eine der betagten Personen. Auch ein Patient mit fortgeschrittener Demenz war begeistert. „Was für ein imposantes Tier. Absolut wow! Das sieht man nicht jeden Tag.“
Besser ein bisschen als nichts
So lösen offenbar auch Hühner generell aus der tiergestützten Therapie bekannte Regungen aus: Das Tier wird wiedererkannt und weckt Erinnerungen, unter anderem an frühere eigene Heimtiere. Das macht es leichter, zu kommunizieren und Gefühle auszudrücken.
Zwar schmälere das trennende Glas den Erfolgsgrad gegenüber dem direkten persönlichen Kontakt zum Tier, räumen die Autorinnen ein. Nichtsdestotrotz sinke umgekehrt auch das Risiko möglicher Infektionen, Bisse oder Kratzer, schreiben sie. Alles in allem könnten Tierbesuche am Fenster je nach Vor-Ort-Situation und geltenden staatlichen Regeln dennoch eine praktikable Lösung sein: Besser ein bisschen Tier als nichts.
Mary Thelander Hill l University of New Mexico in Albuquerque l mthelanderhill@ salud.unm.edu