Mittwoch, 08. Oktober 2025
„Am Umgang mit exotischen Tieren kann man eine Menge ablesen“
Das Forschungsziel im Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) sind breit angelegte Synthesen zu Mensch-Tier-Beziehungen der Vergangenheit. Der Archäologe Dr. Oliver Grimm berichtet, warum sein Projekt am Schloss Gottorf in Schleswig auch eine unmittelbare gesellschaftliche Relevanz hat.
Herr Dr. Grimm, worum dreht sich Ihre Arbeit momentan?
Aktuell befassen wir uns mit dem Thema Tierexoten. Am Umgang des Menschen mit unbekannten oder als exotisch wahrgenommenen Tieren kann man eine Menge über die grundsätzliche Wahrnehmung von Tieren lernen. Karl der Große, der um das Jahr 800 regierte, und der Renaissancepapst Leo X. besaßen beispielsweise einen Elefanten. Was steckte dahinter? Wie reagierte das Publikum? Wir können die Wirkung von exotischen Tieren bis in die Gegenwart verfolgen, wenn wir etwa an die chinesische Panda-Politik oder die gesellschaftliche Debatte um die Rückkehr der Wölfe denken. Auch aus der Tatsache, dass man lange von der Existenz von Tiergöttern, Drachen, Einhörnern oder Mischwesen wie Werwölfen ausging, sagt uns eine Menge über die wechselhafte Wahrnehmung von Tieren zu verschiedenen Zeiten. Am Beispiel von Exoten erfahren wir also viel über den Symbolwert oder das Image von einzelnen Arten früher und heute.
In welchem Rahmen forschen Sie daran?
Die Beschäftigung mit Tier und Mensch am Schloss Gottorf in Schleswig geht Jahrzehnte zurück, da wir hier seit den 1960er Jahren eine archäozoologische Arbeitsgruppe haben. Seit dem Jahr 2010 gibt es Forschungen, die sich der Mensch-Tier-Beziehung mit dem Anspruch zuwenden, bei diesen Betrachtungen dem Tier größeres Gewicht beizumessen und davon wegzukommen, alles nur vom Menschen her zu sehen. Im Kern werden diese Arbeiten von dem Archäozoologen Ulrich Schmölcke und von mir am Leibniz-Zentrum für Archäologie, Standort Schleswig, vorangetrieben. Über Drittmittel oder studentische Arbeiten sind jedoch auch andere Forschende mit diesen Fragen beschäftigt. Veröffentlichungen zum Thema sind dabei ebenso wichtig wie Konferenzen, in deren Rahmen Vertreter*innen unterschiedlicher Fächer aus den Geistes- und Naturwissenschaften mit Praktiker*innen verschiedener Couleur zusammenkommen. Ein besonderes Anliegen sind uns Langzeitbetrachtungen über die Jahrtausende hinweg, mit Anbindung an die Gegenwart.
Wann rechnen Sie mit Ergebnissen?
Das im Jahr 2010 begonnene Projekt ist auf Dauer angelegt, die aktuellen Planungen reichen bis in die 2030er Jahre hinein. Erst dann wird es möglich sein, breiter angelegte Zusammenfassungen auf der Basis von 25-jährigen Schleswiger Forschungen zu schreiben. Aber wir veröffentlichen natürlich regelmäßig Ergebnisse zu verschiedenen Einzelaspekten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) | www.leiza.de/forschung/projekt/human-animal-studies | Dr. Oliver Grimm | oliver.grimm@leiza.de
